Ein paar Sätze zu den 3 Wahlen der letzten Wochen und mögliche Schlussfolgerungen daraus von Janis Ehling

0. Erstmal herzlichen Dank an alle Wahlkämpfer und Wahlkämpferinnen. Das war richtig gut.

 

1. Deutschland erlebt gerade einen massiven Rechtsruck. Zwar hat sich der Aufwärtstrend der AfD abgeschwächt, trotzdem sitzt sie jetzt in 13 Landtagen. Gleichzeitig sind CDU/FDP und abgeschwächt auch die SPD/Grüne um einiges nach rechts gerutscht. CDU und FDP haben davon profitiert, SPD und Grüne nicht. Die CDU/FDP haben einfach nur einen Schritt zurück in die 90er gemacht. SPD und Grüne stecken in einer tiefen Krise, weil sie zerrissen sind zwischen einem liberalen wirtschaftsfreundlichem und einem sozialen bzw. ökologischen Teil (beides zusammen geht nicht).

 

2. Keine linke Wechselstimmung: In Krisenzeiten zeigt sich wo die Leute stehen und im Zweifel gehen sie zur CDU.

 

3. DIE LINKE und Jugend: Der Rechtsruck von SPD und Grünen sowie klare Positionen der Linken in sozialen Fragen – auch Migration und AntiRechts – haben in den letzten Jahren zu einigen Zuwächsen unter jüngeren Menschen geführt. DIE LINKE hat junge WählerInnen gewinnen können. Zudem hat sie beträchtlichen Zuwachs an jungen Mitgliedern (über 5000 in den letzten beiden Jahren). Im Jugend- und Studierendenverband haben sich zusammen etwa neue 50-60 Gruppen gegründet. Das ist ein gutes Zeichen für die Zukunft.

 

4. DIE LINKE urban: DIE LINKE hat in allen drei Ländern besonders gut in den Städten abgeschnitten (insbesondere in Städten mit klassischer Hochschule). In Saarbrücken (16%), Kiel (8%), Köln (8-13%), Bielefeld (12%). Allerdings hat DIE LINKE nicht in allen Städten gleichermaßen gut abgeschnitten. In Neumünster (SH) und Gelsenkirchen etwa ist DIE LINKE nicht über 5% gekommen. Das hängt meiner Meinung nach mit den LINKE-Kreisverbänden ab. Während die Kreisverbände in Saarbrücken, Kiel, Köln und Bielefeld vergleichsweise gut aufgestellt sind (gute Arbeit im Stadtparlament), aktive Partei vor Ort (auch vergleichsweise gute Jugend- und Studierendengruppen), sind die Kreisverbände in Gelsenkirchen und Neumünster zerstritten.

Auf dem Land schneidet DIE LINKE durchgehend eher schlecht ab.

 

5. DIE LINKE und die Arbeit: Unter Angestellten, in NRW/Saarland unter ArbeiterInnen und zum Teil unter Arbeitslosen schnitt die Partei überdurchschnittlich ab. Hier sollten wir überlegen: wer genau ist das und wie können wir das vertiefen?

 

6. DIE LINKE und das Vertrauen:

2010 hatte DIE LINKE sogar 20.000 mehr als heute (ähnlich SH bei der vorletzten Wahl). Allerdings profitierte DIE LINKE da noch vom Reiz des neuen (ähnlich wie die Piraten und zum Teil die AfD heute). Die 21% der Linken Saar der vorletzten Wahl müssen als Ergebnis eines Regierungswahlkampfs Lafontaines verstanden werden. Diese Phasen sind vorbei. Laut einer größeren Umfrage rechnen aber immer noch über 80% DIE LINKE zum Antiestablishment. Doch hier müssen nochmal genauer schauen, wie Protest, kurz-, mittel- und langfristige Angebote aussehen (+ der entsprechenden Ansprache).

Immer noch wird DIE LINKE bundesweit am stärksten gewählt. Die Ergebnisse auf Landes- oder kommunaler Ebene sind schwächer. Bei CDU und SPD ist das teilweise anders. Darüber müssen wir uns Gedanken machen. Im Verhältnis Mitglieder zu WählerInnen waren die Ergebnisse in Schleswig-Holstein und NRW herausragend (vergleicht man das mit dem gutem Ergebnis in Berlin). Während das Verhältnis Mitglied : Wähler/in in Berlin 1:40 war, ist es in SH 1: 51 und in NRW 1:57 (danke an Max Steininger für den Hinweis). PS: Spricht auch für die gute Arbeit der Genoss*innen vor Ort.

 

7. DIE LINKE und die AfD:

Besonders in NRW fiel auf: Wo DIE LINKE stark war, war die AfD schwach und umgekehrt (AfD Hochburg Gelsenkirchen: LINKE schwach/Köln LINKE stark, AfD schwach). Ansonsten war die AfD sowohl im ländlichen als auch im städtischen Bereich stark. Ein wenig stärker war die AfD aber schon in den Städten als auch auf dem Land. Grundkurs Soziologie: Auf dem Land setzen sich Entwicklungen später durch.

Allgemein fällt aber auf: Die AfD wird als neue Partei stärker gewählt als DIE LINKE. Das liegt meines Erachtens nach daran, dass die AfD in einigen Punkten stärker am Bewusstsein der Menschen ansetzen kann. Die AfD will weniger grundsätzlich verändern. Das Programm ist: Weiter so + mehr Nationalismus und mehr Autoritarismus + Hass auf Minderheiten (und eine Mehrheit Frauen). DIE LINKE hat es da schwerer, weil sie mehr das Ganze in Frage stellt. Eine linke Verankerung braucht auch historisch eher länger, weil sie stärker auf einen Bewusstseinswandel angewiesen ist.

 

Prognosen und abgeleitete Strategien

Allgemein: Die Erosion der Sozialdemokratie und zum Teil der Grünen wird sich fortsetzen (langsamer als in anderen Ländern, weil das deutsche Witschaftsmodell breitere Schichten einbindet als in anderen Ländern). Die CDU wird als Kraft des „weiter so“ erst in einer tieferen Krise abzulösen sein. Die weitere Entwicklung der AfD hängt von vielen Faktoren ab: CDU, FDP und ihren inneren Prozessen.

 

1. Gegen Rechts: DIE LINKE muss klare Kante gegen Rechts machen. Nicht nur weil es politisch richtig ist, sondern weil sie davon offenkundig unter den Jungen profitiert. Eine Stärkung der Linken ist die Schwäche der Rechten. Bloßes gegen Rechts a la Clinton, Macron ist hilfloser Antifaschismus. Es braucht eigene Inhalte, eine eigene linke Alternative.

 

2. Zeit: Die Verankerung einer linken Partei braucht offenkundig viel Zeit.

 

3. Konzentration: Statt Kaffeesatzleserei a la Schulzzug gestoppt oder nicht, sollten wir uns auf die Faktoren konzentrieren auf die wir Einfluss haben. Angesichts begrenzter Ressourcen sollte sich DIE LINKE im Westen erstmal auf die Städte und Jüngere, sowohl ErstwählerInnen als auch arbeitende Schichten konzentrieren. Offenkundig kommen hier Leute in einiger Zahl zu uns – insbesondere in den Unistädten (wobei zu schauen wäre, ob wir in den Städte ohne Uni nicht noch einiges Potential haben). Gerade mit begrenzten Ressourcen sollten wir die leicht erschließbaren Schichten zuerst angehen. Die weitere Zukunft der Linken (und auch zukünftige Wahlergebnisse) werden davon abhängen, 1. wie wir die jungen Leuten einbinden 2. wie wir Angestellte und ArbeiterInnen einbinden und 3. wie wir uns mit guter Interessenvertretung in den Kommunalparteien und daran gekoppelter Bewegungsarbeit weiter verankern können. So oder so brauchen wir dringend mehr fitte Leute. Die müssen wir ausbilden! Wenn wir nicht dahin kommen, dass wir mehr Sachen organisiert angucken, werden wir immer zittern müssen und komplett abhängig von externen Faktoren sein (ob Fukushima, Terroranschläge oder Sommer der Migration).

Das heißt auch bewusst ältere und ländliche Regionen erstmal außen vor lassen. Ganz einfach weil wir es gerade nicht anders schaffen. All das braucht Zeit und geht nicht von heute auf morgen. In diesem Sinne war die Verdopplung der Stimmen in SH und NRW ein Anfang!

 

Zum Vergleich:

NRW 2012 194.428 SH 2012 32.090

NRW 2017 415.808 SH 2017 51.049

(allerdings 436.000 2010)