Einschätzung der SL zum Parteitag in Halle – wichtige Entwicklungen und Erkenntnisse
Um die existenzielle Krise der Partei Die Linke zu überwinden, wäre auf dem Parteitag eine deutliche Positionierung der Partei für die Interessen der großen Bevölkerungsmehrheit notwendig gewesen. Konkret meinen wir damit Sicherstellung von Frieden, soziale Sicherheit für die Arbeiterklasse und der Schutz vor dem Fortschreiten des Klimawandels und der natürlichen Ressourcen. In unserem Verständnis gehört dazu auch eine sozialistische Gesellschaft alternativ zum Kapitalismus als historische Perspektive.
Dies hätte einen Kurswechsel bedeutet weg von thematischem Aktionismus aus der Perspektive von linker Regierungsbeteiligung und linksliberaler Betroffenheitspolitik, sowie einer Außenpolitik basierend auf weitgehender Übernahme der herrschenden politischen Denkmuster.
Inhaltliche Schwerpunkte der Antragsberatungen waren eine Positionierung zum Krieg in Gaza und Libanon, Frieden und Antimilitarismus, die Aufnahme der Forderung nach einem BGE ins Parteiprogramm, sowie die Beratung über den Leitantrag des alten Parteivorstandes. Änderungsanträge an den wenig konkreten Leitantrag waren gestellt worden, um die Zusammenhänge zwischen Kapitalismus und weltweiten Kriegen, der Verarmung breiter Teile der Bevölkerung und dem Klimawandel erkennbar zu machen und in den Fokus der künftigen Parteiarbeit zu rücken.
Während es gelang, eine – wenn auch in ihrer Deutlichkeit abgeschwächte – solidarische Haltung mit den Menschen in Palästina, deren Land und Leben durch Israel massiv bedroht ist, gemeinsam mit dem neuen Vorsitzenden Jan van Aken zu formulieren: Antrag G12-G14-G08 NEU, wurden fast alle weiteren Anträge und Änderungsanträge mit einer klassenbezogenen antikapitalistischen sowie antimilitaristischen Ausrichtung vom Parteitag abgelehnt. Dies ist jedoch entgegen früheren Parteitagen nur noch jeweils mit knappen Mehrheiten erfolgt.
Bei Einzelanträgen wie dem Antrag u.a. der KPF auf „Schluss mit der Kanonen-statt-Butter-Politik“ (Antrag G04) beantragte der Parteivorstand durch geschickte Nutzung von Satzung und Geschäftsordnung weitgehende, die vorgeschlagenen Antragstexte fast vollständig ersetzende Änderungen. Im Beispiel G04 wurde die im Antrag enthaltene Auseinandersetzung mit der Geschichte des deutschen Militarismus gestrichen. Diese hatte den Zusammenhang von Kapitalismus mit Faschismus und Krieg dargestellt. Die vom PV vorgeschlagene Änderung hingegen enthielt bereits im Leitantrag aufgeführte Forderungen, und fokussierte auf aktuelle Fakten und den Ukrainekrieg anstatt auf Lehren aus der deutschen Geschichte. Während der Parteitag die weitreichende Änderung des PV ablehnte, stimmte er dem Ursprungsantrag ebenfalls nicht zu.
Das gleiche Vorgehen machte aus einem Antrag, der die Forderung nach bedingungslosem Waffenstillstand für alle Kriege enthielt, einen Antrag der u.a. „gezielte Sanktionen“ gegen kriegführende Parteien fordert (Antrag G02).
In beiden Antragsdiskussionen sorgte eine unruhige und chaotisierende Moderation durch Präsidium und Antragskommission dafür, dass vielen Delegierten möglicherweise nicht klar war, was ihre Stimme jeweils für eine Bedeutung hatte.
Einen großen Erfolg stellte die Ablehnung des Antrages des Parteivorstandes nach der Aufnahme der Forderung eines BGE ins Parteiprogramm dar (P01). Dies geschah nach einer ausführlichen Debatte, in deren Verlauf sich mehrere SL-Mitglieder als auch die neugewählte Parteivorsitzende Ines Schwerdtner zu Wort meldeten und für die Beibehaltung der offenen Positionierung zum BGE im aktuellen Parteiprogramm aussprachen.
Ein weiterer großer Erfolg konnte erzielt werden, als die Delegierten für die Behandlung des Dringlichkeitsantrages „Berliner Appell: Gegen neue Mittelstreckenwaffen und für eine friedliche Welt“ (Dringlichkeitsantrag-Berliner Appell) stimmten und diesem trotz Gegenrede des Parteivorstandes zustimmten.
Diese Erfolge waren nicht zuletzt dank der konstruktiven Zusammenarbeit linker Zusammenschlüsse und Delegierter möglich. Dies drückte sich auch in den Vorstandswahlen aus, in deren Verlauf mehrere Vertreter mit klassen- und friedenspolitischem Profil wie Naisan Raji und Ulrike Eifler gewählt wurden.
Der Parteitag machte deutlich, dass diejenigen in der Partei, denen an der Option auf Regierungsbeteiligung in Bundestag und Landtagen gelegen ist, sich weiterhin behaupten können, aber gerade in der Frage Frieden und Internationalismus keine überzeugenden Mehrheiten mobilisieren konnten.
Im Fazit muss leider konstatiert werden, dass auf dem Parteitag keine wahrnehmbare deutliche Klärung von Positionen der Partei erreicht werden konnte. Dennoch stellen die Zurückweisung des BGE sowie die Möglichkeit, sich solidarisch mit dem palästinensischen Volk zu erklären und die Bundesregierung aufzufordern, die Unterstützung der israelischen Politik und Waffenlieferungen an Israel zu beenden, positive Ausgangsbedingungen für die weitere Arbeit innerhalb und außerhalb der Partei dar.
Die Partei will sich nun mit einer Fokussierung auf das Thema Wohnen für die Bundestagswahl einstimmen (Antrag L01-10), und hält auch an der Idee linker Regierungsbeteiligung fest (Antrag L01-12).
Es bleibt zu organisieren, dass das Bundestagswahlprogramm deutlich mehr klassenpolitische Aussagen enthalten wird, und dass der neue Parteivorstand die Partei als echten Partner der Friedensbewegung etablieren kann.
Aus aktuellem Anlass wurde auf dem Parteitag von einigen Delegierten eine Resolution zur Solidarität mit den Betroffenen anti-palästinensischer medialer Hetze verfasst und von über 150 Unterstützern auf dem Parteitag unterzeichnet. Diese als Dringlichkeitsantrag auf dem Parteitag zu behandeln wurde abgelehnt, aber die Resolution wurde unabhängig davon veröffentlicht und ist hier: Unterstützung für Ramsy und andere sowie auf facebook und instagram zu finden.
Weitere Informationen zum Ablauf des Parteitags und zu Reden, z.B. die sehr bemerkenswerte Rede von Gregor Gysi, sind auf Youtube zu finden und in der Mediathek des Senders Phoenix.
Für den BSR
Naisan und Regina