Die Sozialistische Linke (SL) führte am 1. November 2021 per Videokonferenz eine Auswertung des katastrophalen Bundestagswahlergebnisses durch. Über 70 Genossinnen und Genossen nahmen daran teil. Nachdem der stellvertretende Partei- und Fraktionsvorsitzende Ali Al-Dailami über die Klausur der Bundestagsfraktion berichtet hatte, entwickelte sich zur Wahlauswertung eine sachliche und nachdenkliche Debatte. Wir fassen im Folgenden anonym die Aussagen der Teilnehmenden zusammen:
- Teilnehmende an der Diskussion meinten, dass das Profil der Partei DIE LINKE mittlerweile zu unklar sei. Das sei einer der Hauptgründe, warum die Partei nicht gewänne. Zuspruch im urbanen Milieu sei ja nett, aber reiche bei Weitem nicht aus, um die Verluste in der Fläche auszugleichen. Teilnehmende wiesen darauf hin, dass die Partei einen großen Teil vor allem ihrer älteren Wählerinnen und Wähler verloren habe.
- Teilnehmende sahen in der Partei keine „Musterdemokratie“ und beklagten, dass DIE LINKE nicht die Stimme derer sei, die wenig oder kein Vertrauen in diese Gesellschaft (mehr) hätten. Zudem traue sich DIE LINKE nicht mehr, in einigen politischen Fragen wirklich oppositionelle Haltung zu zeigen.
- Die zu wenig oppositionelle Positionierung der Partei gegenüber den bzw. einigen Corona-Maßnahmen wurde ebenfalls beklagt.
- Teilnehmende beklagten, dass ggf. tatsächlich Kräfte in der Partei diese spalten wollen. Dies müsse man als SL zurückweisen und stattdessen unterschiedliche Auffassungen in verschiedenen Fragen aushalten.
- Teilnehmende fragten sich, ob die Erfahrungen und Kenntnisse der älteren Genossinnen und Genossen in der Partei noch gefragt seien.
- Teilnehmende wiesen darauf hn, dass eine langfristige Strategie entwickelt werden müsse – auch um die Sprache der „normalen Leute und ihre Bedürfnisse“ wieder in den Fokus zu nehmen. Dabei müsse man auch realistisch und strategisch das Altersgefälle in der Gesellschaft beachten.
- Teilnehmende sprachen sich gegen abstrakten Antikapitalismus aus und forderten ein vorwärtsweisendes positives Projekt, das aufzeige, wie wir uns eine Gesellschaft vorstellen. Eine genauere Klassenanalyse sei dafür notwendig. Auch die größeren gesellschaftlichen Tendenzen und welche Spaltungsprozesse sie in der Gesellschaft hervorrufen müssten in den Blick genommen werden.
- Teilnehmende fassten einen großen Teil der Debatte so zusammen: Wie sieht sozialistische Realpolitik aus und für wen sollte DIE LINKE in erster Linie Politik machen?
(Bild: everythingpossible / 123RF)